Bereits am Basar der Rudolf Steiner Schule im Herbst letzten Jahres, als ich Pesche (Peter Allenbach) an einem Verkaufsstand traf, begannen wir über eine neue Tour zu fantasieren. Klar, eine Tour per Mountainbike, die wiederum in den Französischen Alpen wie die Tour "Westalpencross" stattfinden sollte. Der Corona-Virus machte das ganze Vorhaben aber unsicher, so dass wir uns schon bald entschlossen, eine Tour in den Schweizer Alpen zu planen. Nach zahlreichen Telefongesprächen und zwei Sitzungen bei mir zu Hause war die Strecke klar. Pesche hatte alles vorbereitet, präzise und fundiert wie immer. Danach hat er alle Unterkünfte wie Hotels und Berghütten reserviert, los konnte es gehen und zwar am Sonntag, den 23. August 2020.
1. Tag
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Wir trafen uns, wie immer auch bei Tagestouren, bei der Welle am Bahnhof Bern, schon 06.40 Uhr für den Zug von 07.06 Uhr in Richtung Brig. Dort angekommen, verpassten wir fast den Anschluss per Postauto hoch nach Brig-Ried Talstation. Pesche warf sich fast vor das Poschi, welches bereits einige Meter unterwegs war, ein kurzer Wink des Fahrers und wir durften die Räder hinten anhängen und das Postauto besteigen. Glück gehabt. Ab der Talsstation ging's auf die Seilbahn, wieder hoch bis nach Rosswald, unserem geplanten Startort für die heutige Strecke. Dort angekommen bemerkten wir rasch, dass wir unsere Trinkflaschen unten in der Hektik des Besteigens der Kabine hatten liegen gelassen. So verzogen wir uns in eine Gaststätte zum Morgenkaffee und warteten auf unsere Getränkebehälter. 09.40 Uhr war es dann so weit, der erste Aufstieg zu Fuss, mit Schieben der Räder konnte beginnen. So ging es praktisch ausnahmslos bis ganz zuoberst, alles auf der Skipiste.
Schliesslich wechselten sich Fahren und Stossen immer wieder ab. Neben dem Breithorn angekommen beschlossen wir zusätzliche ca. 150 Höhenmeter zu investieren um den Berg zu besteigen. Das war das 1. Highlight dieser Tour. Eine fantastische Aussicht dort oben belohnte uns. Leider war genau dann der Akku meines Handys leer, so dass ich keine Fotos mehr machen konnte. Zum Glück hatte Pesche seinen Fotoapparat dabei.
So liessen wir das Saflischtal hinter uns mit einer Abfahrt von 1100 Hm (Höhenmetern), über viele Singletrails runter in Richtung Binn. Dies war wiederum ein Highlight dieses Tages. Unterwegs passierten wir, für uns als kleine Überraschung, einen kleinen Stausee (Ze Binne) mit Beiz, die wir mittels Kaffee und Kuchen nutzten.
Ich hatte an der darauf folgenden Strecke das Binntal noch nie ohne Durchfahrt des parallelen Tunnels befahren und war auch noch nie per Bike dort unterwegs. Deshalb war ich von der Strasse für Wanderer und Radfahrer sehr angetan, eine wunderschöne Gegend.
In Ernen angekommen beschlossen wir so weit wie möglich aus eigener Kraft bis zu unserem Ziel Reckingen zu fahren, immer der Rotten (Rohne) entlang. Dort schliesslich fanden wir im Partnerdorf Gluringen unseren Übernachtungsort, das Hotel Wallisersonne, eine etwas in die Jahre und heruntergekommene Bleibe. Weder ein Schlauch um die Räder zu waschen, noch eine Küche für das Nachtessen vorhanden, dann ein Schranz in der Bettwäsche... Wir fanden aber trotzdem ein Restaurant und beschlossen diesen Tag mit einer Käseschnitte.
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2. Tag
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Heute fuhren wir nach einem doch ordentlichen Frühstück weiter der Rotten flussaufwärts entlang, mit einem Zwischenhalt in Geschinen im Velo-Café, wo ich meine Federelemente auf den richtigen Luftdruck einstellen konnte. Der Wirt, selbst ein begeisterter Biker, war sehr gesprächig wie wir ja auch. Dann kam der Aufstieg auf den Nufenenpass ab Ulrichen. Wir fuhren ausschliesslich auf der Strasse. Es war für mich der mühsamste Aufstieg unserer Tour. Mühsam nicht zuletzt auch, weil der Verkehr von Autos und Motorrädern uns immer wieder störte, manchmal erschreckte, weil es immer wieder solche Verkehrsteilnehmer gab die nicht wussten, dass man beim Überholen von Radfahrern genügend Abstand wahren sollte. Diese Leute sind wohl noch nie selbst Fahrrad gefahren. Der Pass war schier endlos, kam noch dazu, dass wir unser Ziel nicht über den Griespass erreichen konnten, da alle Strassen wegen Erdrutschen über ein grösseres Gebiet, auch für Wanderer gesperrt waren. Also ganz hoch auf den Pass und auf der anderen Seite wieder 600 Höhenmeter runter bzw. wieder 300 Hm hoch bis zu unserer Unterkunft in der Corno-Gries-Hütte. Hoch ging's alles zu Fuss, Bike stossend oder tragend, sehr anstrengend. Aber schlussendlich kamen wir in der Hütte an, leider keine Dusche, nur 1 Hahnen mit kaltem Wasser - geht auch. Die Hütte ist speziell gebaut mit kleinerem Sockel als dem Oberteil mit Esssaal und Schlafräumen.
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3. Tag
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Abgesehen von den 1100 Hm ging's auf dieser Etappe praktisch nur bergab bis Fusio (über 2100 Hm), oberste Ortschaft im Maggiatal/TI. Vorgeschriebene Zeit fürs Frühstück war 07.30 Uhr. Für uns i.O. aber das habe ich zum ersten Mal erlebt, dass man sein Zimmer bereits um diese Zeit geräumt haben musste. Nun, die Crew von
4-5 Leuten war noch sehr jung, teils noch pubertierend. Allein zum fürs Abendessen am Vorabend waren 4 Personen während ca. 2 Stunden am Kochen, dies für nur ca. 10 Personen für ein einfaches Essen. Ich alleine hätte dies in 30 - 45 Min. geschafft und da ist das Bluffen noch nicht dabei...
Das Wetter heute super, sonnig, frisch, klar. Der Flow-Trail auf der rechten Seite des Bedrettotals, anfänglich mit einigen Schikanen zum Absteigen gespickt, aber danach fast eine Autobahn für uns, hergestellt von einem kleinen Bagger. So etwas war für mich ebenfalls neu, da mitten in den Bergen. Bei einer Sennerei am Ende des Tals ging's dann rechts hoch mit Schieben und Tragen auf den Passo del Naret auf 2437 m ü.M. Die Abfahrt dann einfach und zügig meist auf Strässchen im unteren Teil sogar asphaltiert. Vorbei am Lago del Sambuco noch etwas runter nach Fusio. Hier gleich eine Überraschung wie man sie nicht gerne hat. Keine Zimmerreservation im Hotel vorhanden. Wir erhielten dann trotzdem das angeblich "letzte" Zimmer mit einem Doppelbett und einem Steinofen von 1830. Es war sicher nicht das beste Zimmer unserer Tour, aber dennoch das teuerste. Trotzdem, super Bike-Tag gewesen.
Speziell für mich - heute habe ich gelernt und gleich auch geübt (zwangsläufig) wie man ein Bike auf den Schultern trägt.
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4. Tag
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Ab Fusio ging's praktisch wieder auf gleicher Strecke ein Stück zurück, aber immer schön hinauf, Stossen, viel Tragen, anstrengend. Ja und dann auf der anderen Seite, gleich wieder zu Fuss runter bis auf eine Alp, eine Hochebene wo wir auf Singletrails Biken konnten. Doch vorerst beim Abstieg - einmalig - zu Fuss runter in fast horizontal gezeichneten, faltigen und weissen Felsen (siehe Bilder). Hier habe ich von der neuen "Velohaltetechnik" vermittelt durch Herrn Peter Allenbach (kurz Pesche) profitiert. Vorne links hält man den Lenker mit einem Finger an der Bremse um das Rad jederzeit zum Stillstand bringen zu können und mit der rechten Hand wird das Velo am Oberrohr gleich unter dem Sattel gefasst und geführt. So hat man jederzeit auch eine Stütze, besser als Wanderstöcke und das ist kein Witz. Auf jeden Fall macht so auch das Runtersteigen zu Fuss Freude.
Beim Lago Tremorgio, auch per Seilbahn von Fiesso-Rodi erreichbar, wiederum Kaffee und Kuchen zusammen mit all den Wanderern dort oben.
Danach Fahrfreude pur über Wanderwege und Singletrails immer runter im Flow, kein Ende, jedenfalls wenn man wie wir weiter runter fährt als vorgesehen. Zum Glück konnten wir "die Linie" noch retten, so dass wir ohne Strassenverkehr unser Hotel, das "Gottardo" in Piotta erreichten. Gleichnamig gibt es hier unten ein Bier, das beste welches ich unterwegs während unserer Tour getrunken habe. Ein gutes Pilzrisotto mit Salat und ein grosses, schönes Zimmer rundeten diesen gelungenen Tag ab.
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5. Tag
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Die ersten ca. 800 Hm legten wir per Schienen-Seilbahn zurück, gemäss meinen Erkundungen die zweitsteilste Bahn Europas. Steigung ca. 87 %. Die nächste Stufe wäre ein senkrechter Lift. Es war sehr eng in der Kabine und ich war froh, oben angekommen zu sein. Danach ging es zu gutem Teil fahrend weiter in die Höhe, am Lago Ritom vorbei zum Passo delle Columbe. Danach leider wieder runter, mehrheitlich zu Fuss d.h. stossend bis zur Lukmanierstrasse. Unser Motto: "Wer sein Bike liebt, der schiebt". Heute wurden wir uns allmählich bewusst, dass das schöne Wetter spätestens ab Samstag und auch am Sonntag für uns nichts Gutes verhiess. Angekommen in Aquacalda bzw. im Pro Natura Camp wollten wir die Lage besprechen.
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6. Tag
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Ja das Wetter, gleich wird Regen fallen und dies bis Sonntag Abend und vor allem laut den Prognosen nicht zu knapp. Vals, unser Ziel heute liegt scheinbar genau in der ärgsten Ecke des als schlecht angekündigten Wetters. Wir beschliessen auf der Lukmanierstrasse bis zur Passhöhe zu fahren und auf der anderen Seite wieder runter nach Disentis und anschliessend gleich per Zug nach Ilanz zu Menzli Sport, wo ich mein Bike angemeldet habe, zwecks Entlüftung der Bremsen, neuen Belägen und dem Wechseln der Pedale. Menzli ist in Ilanz gleich beim Bahnhof wo wir unsere Räder deponierten und unser Tagesziel Vals per Postauto erreichten. Am selben Abend hatten wir noch etwas Glück in Form vom Kauf von 2 Eintritten zu je CHF 50 für das bekannte Thermalbad entworfen vom Architekten Zumtor. Was heisst aber "Glück"? CHF 50 für ein Bad im warmen Wasser ist wohl eher Pech. Das macht man dann wohl nur einmal im Leben.
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Heute keine Bilder gemacht. Highlight - die Therme von Vals und ich selbst mit einem Coiffeurtermin für den nächsten Tag um 09.30 Uhr in Ilanz. Leider fiel dieser Termin dem schlechten Poschi-Fahrplan zum Opfer. 07.05 Uhr = zu früh, 09.35 Uhr + Fahrt von ca. 40 Min. = zu spät.
7. Tag
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Irgendwann um Mittag waren wir wiederum in Ilanz, holten unsere Räder ab, assen zum x-ten Mal im Migros-Restaurant und beschlossen, trotz starkem Dauerregen, eine kleine Ausfahrt entlang dem Vorderrhein in Regenmontour zu machen. Ob man's glaubt oder nicht, mir hat's gefallen. Technischer Singletrail entlang dem schwarzen Wasser und dann der Strasse entlang zurück ins Hotel wo wir in einer Dusche im Keller unsere Klamotten abspritzen und auch gleich im Heizungsraum zum Trocknen aufhängen konnten. Schlafen am späteren Nachmittag und dann im selben Hotel ein gutes Nachtessen. Relax.
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8. Tag
Aufwachen, immer noch intensiver Regen. Morgenessen, Zug nach Chur und anschliessend Postauto nach Splügen rauf genommen. Hotel bezogen, geschlafen und die 3. Tour de France Etappe im TV geschaut. Voilà c'est tout. Keine Bilder, keine Streckenkarte, kein Höhenprofil, nix heute.
9. Tag
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Der Regen hat sich zurückgezogen, der Himmel ist bedeckt. Wir entscheiden uns diese Etappe, wiederum auf geplanter Strecke zu fahren. Anfänglich ca. 600 Hm runter und dann wieder rauf bis Juf. Alles auf geteerter Strasse. Zum Glück kaum Verkehr. Uns haben ab Rofla während des Aufstiegs nur 19 Autos, ein Poschi und ein Wohnmobil überholt. Sehr wenig. Wir dankbar. Juf ist die höchste Ortschaft der Schweiz 2126 m ü.M. und besteht nur aus vielleicht 10 - 15 Häusern. Die Übernachtung im Hotel Alpenrose war ein Höhepunkt wie auch das vorzügliche Essen.
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10. Tag
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Pesche beim Aufwachen: "Hast Du den Schnee gesehen?" Mist, die Gipfel waren weiss und ab und zu dicke Nebelschwaden. Trotzdem, wir wollten es versuchen heute mal die ersten 400 Hm auf geplanter Strecke schiebend unter die Füsse zu nehmen. Wir kamen aber gar nicht weit, vielleicht 100 m Strecke den Weg hoch, dann wurde dieser zum kleinen Bach. Was tun? Nasse Füsse und das den ganzen Tag? Rutschige Abfahrten riskieren? Dann die Wahrscheinlichkeit von Temperaturen um die Null Grad für die nächsten paar Tage, keine Verheissung. Also Abbruch der Übung. Pesche hatte zusätzlich noch Halsschmerzen mit Schluckweh. Also packten wir uns, maximal geschützt vor Wind ein und begannen unsere Abfahrt auf der Strasse, stetig runter bis Thusis wo wir den Zug nach Hause bestiegen. Etwas gedrückte Stimmung, aber das Wetter-Schicksal hat es so gewollt. Wir sind schuldlos.
Trotzdem, rückblickend war es eine schöne Tour, kürzer als geplant. Wir wollten noch bis Poschiavo runter und danach nach Santa Maria im Münstertal und von dort ein paar Tagestouren fahren. Vielleicht ein andermal...
Hugo Kuhn, Schlossstrasse 3, 3098 Köniz. 079 607 22 13, hugokuhn@me.com